Streetstepper.com stellt den RS20 vor

Heute wurde auf der offiziellen Streetstepper Webseite das Nachfolgemodell meines Streetstepper Sport vorgestellt: der RS20. Im Gegensatz zum seit längerem bekannten MTS26 („Mountainstepper“) ist der RS20 das zierlichere Pendant ohne Federgabel für Einsatz auf glatten Flächen und besitzt wie der Vorgänger „Streetstepper Sport“ praktische und stabile 20″ Laufräder. Ich kenne bisher nur die Fotos der Webseite und versuche als Laie, sie ein wenig zu interpretieren, ohne Anspruch auf Korrektheit oder physikalischen Durchblick.

Das entfernt an ein BMX Rad erinnernde Rahmendesign gefällt mir sehr gut. Das lange Steuerrohr samt Lenker und Gabel wurden offenbar vom Vormodell übernommen, der Rest wurde komplett neu entworfen. Insbesondere der gesamte Antrieb wurde völlig neu konstruiert und entspricht dem Antrieb des MTS26. Soweit ich verstanden habe, ist ein Ziel der Neukonstruktion die Verminderung der auf den Antrieb wirkenden Spitzenkräfte. Meine beiden bisherigen (eigentlich sehr unterschiedlichen) Fahrzeuge mit derartigen Antrieben (Wipproller bzw. Stepper) zeigten, daß die wirkenden Kraftspitzen definitiv ein spezifisches Problem sein können, welches die Zuverlässigkeit stark beeinflusst. Diesbezüglich sind diese Antriebe nicht oder kaum mit herkömmlichen Fahrrädern zu vergleichen.

Die Pedale ziehen beim neuen System nicht per direkter Koppelung an den Primärantriebsketten, sondern greifen in diese neuerdings zwischen Rahmen und Antrieb statt Pedal und Antrieb verlaufenden Ketten mittels an den Pedalen befestigter Umlenkrollen ein. Das System erinnert von daher an einen inversen Flaschenzug. Auf diese Weise sowie auch mittels der offensichtlich viel moderateren Hebelverhältnisse aufgrund anders gesetzter Zug- bzw. Umlenkpunkte werden die einwirkenden Maximalkräfte stark vermindert. Die genaue Kinematik dieses Systems erschliesst sich anhand der veröffentlichten Fotos nicht leicht. Ob der Effekt des Exzenterantriebs des Vormodells mit der progressiven Übersetzung auch hier vorhanden ist, kann ich nicht erkennen. Ich vermute, daß beim Abrollen der Pedalrolle in der Primärkette eine Art Peitscheneffekt entsteht: Je weiter unten die Rolle ist, desto mehr Kette zieht sie vom Antrieb. Das könnte ähnlich wie die Exzenter des Vormodells wirken. In der Streetstepper FAQ (unten im Artikel verlinkt) ist nach wie vor die Rede von Antriebsnocken (ich habe diese mangels physikalischer Begriffskenntnisse meist als Exzenter bezeichnet). Womöglich hat sich an diesem technischen Prinzip also gar nichts geändert, auch wenn es auf den Fotos nicht ersichtlich ist.

[Update: vom Hersteller habe ich inzwischen dankenswerterweise die Information erhalten, dass das progressive Übersetzungsprofil zum einen aus der Kinematik der Rolle in den Antriebsketten (von mir oben als „Peitscheneffekt“ bezeichnet) sowie aus im Antrieb integrierten Nocken resultiert. Dabei wurde die Gesamtcharakteristik des neuen Antriebs so optimiert, dass auch beim Fahren mit höherer Geschwindigkeit ein großer Pedal-Schwenkbereich nutzbar ist. Beim Modell Sport hatte man ein Verhältnis von etwa 1:3 über den Pedalschwenkbereich. Beim RS20 wurde dies auf etwa 1:2 reduziert.]

Über die Art des Rückstellmechanismus bzw. der Ratsche im Primärantrieb kann ich ebenso nur wilde Vermutungen anstellen. Ein Rückholseil wie beim Streetstepper Sport vermeine ich zwar auf mind. einem Bild zu erkennen; wie dieses allerdings verläuft, ist mir unklar.

[Update: auch hierzu gab mir der Hersteller dankenswerterweise eine technische Erklärung: der Rückholmechanismus ist beim neuen Antrieb rein intern ausgeführt. Es bedarf keiner Schnüre o.dgl. mehr. Ich habe also auf dem besagten Foto irgendetwas anderes gesehen, aber keine Schnur. Genaugenommen hat man in der Hohlachse des Tretlagers nochmal eine feststehende Achse mit einer Nut, die sich über den linksseitig sichtbaren per Vierkant verbundenen externen Arm am Rahmen abstützt. In dieser Nut stützen sich zwei über die innere Achse geschobene Stahlfedern ab, welche am jeweiligen äußeren Ende die beiden Antriebe nach dem Heruntertreten zurückdrehen: elegant, leise, wartungsarm und unsichtbar.]

Das Tretlager scheint nun erheblich stabiler im Rahmen eingebettet zu sein. Es liegt an einer zum herkömmlichen Fahrrad entsprechenden Rahmenposition im Kreuzungspunkt vier voluminöser Rahmenrohre. Beim alten Streetstepper Sport war das hier obenliegende Tretlager nur in ein einziges Verbindungsrohr im Rahmen eingeschweisst.

Der Hinterbau wird höchstwahrscheinlich Standard-Dimensionen haben, so daß man normale Naben mit 130mm oder 135mm Breite einbauen kann, schätze ich. Vermutlich hat man also neuerdings auch einen Freilauf, der im Gegensatz zum Vormodell das rückwärts-Schieben des Fahrzeugs gestattet.

[Update: Nein, rückwärts schieben ist wie gehabt aufgrund der Sperrfreiläufe nicht möglich, und Ja: der Hinterbau hat den MTB-üblichen Abstand der Ausfallenden von 135mm und lt. Hersteller hat man einen mittels eines eingeklemmten Gummirings mitgeführten Freilauf in der Hinterradnabe. Die Kette läuft im Normalfall mit, was beim Steppen notwendig ist zur Vermeidung von Leerweg bedingt durch Sperrklinkenspiel im Freilauf. Bei auftretendem Widerstand (Schaltfehler, Antriebsblockade…) rutscht der Freilauf durch. Ein gewaltsames Mitdrehen der Kette samt möglicher Folgeschäden ist ausgeschlossen.]

Die genaue Konstruktion des Tretlagers und des Antriebs ist für mich nicht erkennbar, aber man wird hier sicherlich schon auf Spezialteile angewiesen sein. Aber alles andere sollte im normalen Fahrradbedarf erhältlich sein, was eine Tour mit diesem Fahrzeug erleichtern wird.

[Update: eine weitere massgebliche konstruktive Verbesserung ist lt. Information durch den Hersteller nun die Lage der Primärketten in Bezug auf die Sperrfreiläufe. Die Ketten laufen nicht mehr wie beim Modell Sport nach außen versetzt, sondern mittig auf dem Sperrfreilauf, so daß kein unerwünschtes Kippmoment entsteht, welches den Freilauf schneller verschleißen lässt.]

Ich werde den neuen RS20 so schnell wie möglich zu erhalten versuchen, aber lt. Hersteller muß ich noch bis 2014 warten. Von den Umbauteilen meines alten Streetstepper Sport wird das Nabendynamo-Vorderrad und die Beleuchtungsanlage problemlos verwendbar sein, das traue ich mich bereits zu sagen. Auch die anderen zahlreichen Kleinteile wie Kotflügel, Trinkflaschen, einige Rahmentaschen werde ich verwenden können. Sollte der Abstand der Ausfallenden am Hinterbau 130mm betragen, so kann ich mein Hinterrad vom Tern Verge X10 Touringumbau mit 10-fach Ritzelpaket und hochwertiger Nabe samt dessen guter SRAM Schaltung einsetzen statt der vorhandenen 9-fach Ausstattung, welche ihrerseits das winzige verschleißfreudige 13-Zahn Schraubritzel des Vorgängermodells auf einer nirgends erhältlichen 100mm breiten Spezialnabe ersetzt. Um letzteres ist es mir beim alten Stepper nicht schade.

Sollte der Abstand der Ausfallenden jedoch 135mm betragen, so wäre langfristig sogar ein Shimano Alfine 8 oder 11-Gang 20″ Hinterrad eine Option. Aber das sind momentan Gedankenspielereien. Dazu muß man sich auch die Kettenlinie und den praktikablen Übersetzungsbereich genauer vornehmen.

[Update: bei solchen Schaltnaben müsste man allerdings auch die elastische Fixierung des Freilaufs irgendwie realisieren, was beim Stepper technisch anzuraten ist wegen andernfalls entstehenden Pedal-Leerwegs unter bestimmten Umstaenden. Insofern sind das hypothetische Optionen. Zudem ist mir technisch auch gar nicht klar, ob es überhaupt machbar ist, bei einer Schaltnabe mit ihren inneren Vorgängen das Ritzel synchron mit dem Nabenkörper mitzuführen, um zu verhindern, daß ein Antritts-Leerweg entsteht. Diesbezüglich unterscheidet sich das Prinzip einer Schaltnabe grundlegend von einer in diesem Punkt sehr simplen Kettenschaltung.]

Ein weiterer konstruktiver Vorteil des RS20 ist der Wegfall des alten nervigen Kettenspanners, der die Hinterradmontage irrsinnig erschwert hat und immer für extrem dreckige Finger sorgte. Stattdessen ist nun ein normales montagefreundliches Schaltwerk vorhanden.

Eines ist bereits sicher: der RS20 stellt eine deutliche Verbesserung des Vorgängers dar, beseitigt diverse verschleissträchtige Komponenten und wird über kurz oder lang in meiner Garage stehen.

Allgemeines zum Streetstepper

Wer sich hier wundert, was es denn mit den Streetsteppern auf sich hat, der kann die FAQ des Herstellers durchlesen. Diese kommt inhaltlich auf den Punkt. Dem dort Gesagten ist nichts hinzuzufügen. Ich selbst fahre seit etwa 1988 Fahrrad: früher sportlich und ambitioniert bei phasenweise täglichem Rennrad- oder MTB-Training, heute eher breitensportlich und gemäßigt, und ich habe den Stepper als Fortbewegungsmittel und Trainingsgerät ungemein schätzen gelernt. Für die abendliche After-Work Runde bevorzuge ich den Stepper gegenüber dem Fahrrad aus vielerlei Gründen. Einer dieser Gründe ist, daß mir das Fahren mit dem Stepper mehr Spaß macht, weil man in Bezug auf Haltung und Beweglichkeit viel freier ist als beim Fahrrad, wo man zwangsläufig mehr in die „Fahrmaschine“ integriert ist. Seit ich den Streetstepper nutze, denke ich auch an eine Urlaubstour mit dem Fahrzeug und halte das für realistisch. Mit dem RS20 wird sich dieses Vorhaben hoffentlich umsetzen lassen.

Diesen Beitrag teilen